"Ich habe mich über Jahre mit dem Leben der Moose beschäftigt, nur war das natürlich immer nur auf Armlänge. Wir sind uns auf intellektueller Ebene begegnet. Sie berichten über ihr Leben, aber unser beider Leben sind nie miteinander verschmolzen. Um sie wirklich zu kennen, muss ich wissen, welche Rolle ihnen mit Anbeginn der Welt zugeteilt wurde. Was hat ihnen der Schöpfer zugeflüstert, ihre Gabe und deren Dienst für den Menschenbetreffend? Ich frage Jeannie, wir ihr Volk die Moose verwendet hätte, aber sie wusste es nicht. Sie diensten weder als Medizin noch als Nahrung. Ich weiß genau, dass Moose Teil dieses Netztes der Gegenbseitigkeit sein müssen, aber wie können wir das Generationen nach der ursprünglichen Verknüpfung noch feststellen? Jeannie zeigte mir, dass Pflanzen sich erinnern, auch wenn die Menschen sie längst vergessen haben.
Nach traditionellem Wissen erfährt man etwas über die spezielle Gabe einer Pflanze, indem man auf ihr Kommen und Gehen achtet. Gemäß der indigenen Weltsicht, die jede Pflanze als Wesen mit eigenem Willen erachtet, erscheinen Pflanzen an dem Ort und zu dem Zeitpunkt, an dem sie gebraucht werden. Sie finden ihren Weg dorthin, wo sie ihre Rolle ausüben können. (...) Immer wieder kommen Pflanzen genau dann, wenn man sie braucht. Wird aus diesem Muster irgendwie erkennbar, wie Moose verwendet wurden? Sie tauchen überall auf, als Teil der normalen, alltäglichen Landschaft, und so klein, dass wir sie oft gar nicht bemerken. Vielleicht weist das in der Zeichensprache der Pflanzen auf ihre Rolle in menschlichen Haushalten hin: eine geringe unauffällige Rolle. Es sind die kleinen Alltagsdinge, die wir bei ihrem Fehlen am meisten vermissen."
("Das sammeln von Moos" Robin Wall Kimmerer. Seite 139f.)
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